Einen Leuchtturm in der Provinz bauen


Viele Fernzüge, die aus dem Osten oder aus dem Süden kommen, passieren das Städtchen, in dem heute rund 30.000 Einwohner leben und das 1868 gegründet wurde. Deswegen ziert eine Lokomotive das Wappen der Stadt.


Andrii ist in Synelnikowe aufgewachsen, arbeitet heute als Ingenieur für die Eisenbahn, und er will von dort nicht wegziehen, obwohl das Leben in dem provinziellen Synelnikowe nicht einfach sei. „Es sind einfach zu viele weggezogen. Ich will etwas für meine Stadt tun.“ Im November 2017, bei unserem ersten Workshop mit dem Thema „Sozialpädagogische Fanprojekte für Osteuropa“ in Berlin, stellte Andrii seine Idee vor, ein Fanprojekt in seiner Heimatstadt zu gründen. Im Umfeld des Amateurvereins Dniproagro, der über ein eigenes Stadion verfügt, will es sich vor allem mit klassischer Jugendsozialarbeit beschäftigen und sich so als zentraler Treffpunkt für die Jugend der Stadt etablieren, und als Drehkreuz für andere ehrenamtliche Sozialprojekte. In der Nähe der Stadt befindet sich auch ein größeres Jugendgefängnis, wo Andrii mit seinen Freunden von Dniproagro bereits Fußballspiele für die Häftlinge organisiert hat. Bei unserem zweiten Workshop in Kiew, der im September 2018 stattfand, hatte Andrii seine Projektpläne konkretisiert, allein die Finanzierung machte ihm zu schaffen. „Mir ist klar, dass ich das nur umsetzen kann, wenn ich mich zu einhundert Prozent dort einbringen kann.“


Zwischen dem 19. und 22. November 2018 haben wir schließlich ein Arbeitstreffen in Synelnikowe organisiert. Diese Treffen sind ein neues Modul in unserem Projekt, um vor Ort einerseits die Leute zu unterstützen, die Fanprojekte umsetzen wollen, und andererseits, um die zusammen zu bringen, die an anderen Standorten ähnliche Projekte organisieren wollen. Ab Kiew ging es mit einem Kleinbus in Richtung Osten, neun Stunden durch den ukrainischen Winter. Es hatte bereits geschneit. Mit an Bord neben einigen Ukrainern aus Rivne, Volyn und auch aus Kiew: Lukas, der beim Fanprojekt Trier arbeitet und der zum ersten Mal in die Ukraine reiste. Insgesamt nahmen zwölf Personen an dem Arbeitstreffen teil.

 

Empfangen wurden wir bei Ankunft von Andrii und seinen Freunden – vor dem einzigen Hotel der Stadt, das uns nicht nur als Unterkunft diente, sondern auch als Seminar- und Versammlungsort. Bei einem gemeinsamen Abendessen lernten wir uns kennen und Andrii stellte das von ihm für die nächsten Tage organisierte Programm vor. Der nächste Morgen begann mit einem Besuch bei der Stadtverwaltung, wo wir von der Geschäftsführerin des Stadtrates und einer Mitarbeiterin der Presse- und Öffentlichkeitsabteilung begrüßt wurden. Andrii erklärte sein Vorhaben, welches von den städtischen Repräsentantinnen begrüßt wurde. Allerdings wurde auch betont, dass das Fanprojekt sich keine Hoffnung auf eine finanzielle Unterstützung durch die Stadt machen könne. „Der Haushalt ist leider sehr begrenzt“, betonte die Geschäftsführerin. Danach standen Treffen mit Mitarbeitern der lokalen Staatsanwaltschaft und Polizei auf dem Programm. Und ging es zur größten Schule der Stadt und zu einem Internat für Waisenkinder. Am Abend traf sich die Gruppe mit drei Journalistinnen von lokalen Medien, um über das entstehende Fanprojekt und über den Wert gesellschaftspolitischen Engagements von Fan-Seiten zu berichten. Fazit des ersten Tages: Es gibt einen Bedarf für ein Fanprojekt, das mit Jugendlichen arbeitet, Spiele und Turniere organisiert, kreative Nachmittage veranstaltet oder Sozialprojekte umsetzt. Synelnikowe ist arm an Angeboten für Jugendliche. Dieses Vakuum kann das Fanprojekt besetzen. Bei allen Treffen wurde Kooperationsbereitschaft und Offenheit signalisiert. Auch von Seiten der Polizei, die sich bereit erklärte, zusammen mit Andrii Veranstaltungen abzuhalten, bei denen die Fans von Dniproagro über die Arbeit der Polizei im Stadion informiert werden - um so eine Vertrauensbasis zwischen Fans und Polizei zu schaffen. Dass Projekt auf ein solides finanzielles Projekt zu stellen, könnte anfänglich schwierig sein. Deswegen kam aus der Gruppe dieser Vorschlag: mit dem Projekt beginnen und versuchen über regionale Töpfe Gelder zu akquirieren, später über überregionale Partner.

 

Am zweiten Tag besuchten wir schließlich den Verein Dniproagro und dessen Stadion, das künftig renoviert werden soll. Andrej Strelchenko, Fan des Vereins, berichtete, dass zu Heimspielen rund 300 – 400 Fans ins Stadion kämen. Auf dem Gelände des Stadions gibt es ein leerstehendes Gebäude, in dem das Fanprojekt sein Zuhause erhalten soll. Die Renovierungsarbeiten sollen Anfang 2019 beginnen und aus eigener Kraft erfolgen. Danach folgte ein Besuch der Fußballschule, die in der Region für ihre Nachwuchsarbeit bekannt ist und die die Basis für den erst 2010 gegründeten Verein Dniproagro darstellt. Im Anschluss trafen wir uns mit ehrenamtlichen Helfern, die sich einerseits um die Versorgung der Truppen an der nahe gelegenen Front kümmern bzw. heimgekehrte Soldaten bei ihrer Rückkehr in den Alltag unterstützen und die andererseits soziale Projekte umsetzen. Am Abend folgte eine Abschlussdiskussion, in der Andrii als Organisator betonte, wie sehr ihn die Gespräche und Treffen und auch der Austausch in der Gruppe motiviert habe, das Projekt endlich anzugehen, auch wenn eine Finanzierung nicht gesichert sei. Weiterhin wurde eine weitere Reise nach Synelnikowe für das kommende Jahr ins Auge gefasst, an der Fans von Eintracht Trier teilnehmen könnten. Auch Lukas zeigte sich von der Reise sehr beeindruckt. Im Bericht für seinen Arbeitgeber schrieb er: „Dazu sei gesagt, dass Fanprojekte in der Ukraine keine Selbstverständlichkeit darstellen wie bei uns. Synelnykowe kann dabei als Leuchtturmprojekt angesehen werden, es agiert ohne finanzielle Zuschüsse auf ehrenamtlicher Basis... Es wird sicherlich nicht die letzte Reise in die Ukraine gewesen sein und wir hoffen den Austausch weiter zu intensivieren. Dem Fanprojekt Synelnykove wünschen wir viel Erfolg und einen guten Start!“

 

 

Wir von Fankurve Ost bedanken uns bei allen Teilnehmern dieser Reise und bei Andrii uns seinen Freunden für die Organisation eines intensiven und spannenden Programms. Das nächste Arbeitstreffen wird voraussichtlich im Februar 2019 stattfinden. Dann werden wir ein entstehendes Projekt in der ukrainischen Stadt Rivne besuchen.